Tag 2 des MIRACUM DIFUTURE Symposium 2024 – Nachwuchsgruppen, DIZ, Politik und MII-Projekte

Der zweite Tag des MIRACUM DIFUTURE Symposiums 2024 stand ganz im Zeichen des wissenschaftlichen Fortschritts und der interdisziplinären Vernetzung in der Medizininformatik. Erneut wurde deutlich, dass die Integration von Gesundheitsdaten in Forschung und Praxis eine zentrale Rolle für die Weiterentwicklung der personalisierten Medizin spielt.

Keynote: „Gelungene Vernetzung: Genom.DE?“

Prof. Dr. Oliver Kohlbacher eröffnete den Tag mit einer eindrucksvollen Keynote zur nationalen Genomforschung in Deutschland. Unter dem Titel „Gelungene Vernetzung: Genom.DE?“ beleuchtete er die Erfolge des GenomDE-Projekts und sprach zugleich die vielfältigen Herausforderungen bei der Integration von Genomik in die klinische Praxis an. Besonders hob er die Notwendigkeit der Skalierbarkeit von Dateninfrastrukturen sowie den sensiblen Umgang mit ethischen und datenschutzrechtlichen Fragestellungen hervor. Kohlbacher unterstrich, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen Forschung, IT und Klinik entscheidend sei, um das volle Potenzial der personalisierten Medizin auszuschöpfen.

Nachwuchsgruppenpreis: Auszeichnung von IMPETUS

Ein weiterer Höhepunkt war die Vergabe des Nachwuchsgruppenpreises, der in diesem Jahr an das Team von IMPETUS ging. Unter der Leitung von Prof. Dr. Björn Schreiweis beeindruckte das Team mit seiner Arbeit zur Integration medizinischer Multimediadaten in universelle Wissensmanagementsysteme. Schreiweis betonte in seinem Vortrag die wachsende Bedeutung der Verknüpfung klinischer Bilddaten für die medizinische Forschung und Versorgung. Mit ihrem innovativen Ansatz tragen sie maßgeblich dazu bei, die Grenzen zwischen Forschung und klinischer Praxis weiter abzubauen.

Auch die weiteren Finalisten überzeugten mit herausragenden Beiträgen:

  • Christoph Beger (SMITH-Konsortium) stellte ein neuartiges Phänotyp-Repository vor, das die Datenintegration und phänotypische Analysen verbessern soll.
  • Dr. Ali Burak Ünal (DIFUTURE) präsentierte eine datenschutzfreundliche Methode zur Altersvorhersage mithilfe von DNA-Methylierungsdaten.
  • Prof. Dr. Björn Schreiweis stellte innovative Ansätze zur Integration radiologischer Bilddaten vor.
  • Dr. Judith Wodke und Ilya Mazein zeigten die Entwicklung eines FHIR-basierten Wissensgraphen zur systematischen Vernetzung medizinischen Wissens.

DIZ an den Universitätskliniken Regensburg und des Saarlandes

Ph.D. Holger Stenzhorn und Dr. Regina Fischer gaben wertvolle Einblicke in den Aufbau der Datenintegrationszentren (DIZ) an den Universitätskliniken Regensburg und des Saarlandes. Diese Zentren bieten eine essenzielle Infrastruktur für die Verbindung von Versorgungs- und Forschungsdaten. Während sich Regensburg noch im Aufbau befindet, sind im Saarland die internen Prozesse eine fortwährende Herausforderung, die jedoch mit Kreativität und Engagement gemeistert werden können.

EyeMatics: Medizininformatik für die Augenheilkunde

Mustafa Kemal Yildirim stellte das vielversprechende Projekt EyeMatics vor, das moderne Medizininformatik zur Verbesserung der Diagnostik und Behandlung von Augenerkrankungen einsetzt. Durch die Analyse bildbasierter Daten mit künstlicher Intelligenz werden neue Ansätze zur Operationsplanung und Therapieentwicklung möglich gemacht.

ACRIBIS: Fortschritte in der klinischen Datenintegration

Dr. Eimo Martens präsentierte das Projekt ACRIBIS, welches sich der Optimierung der klinischen Datenintegration widmet. Hierbei wurde insbesondere die Verbesserung der Datenqualität und -verfügbarkeit hervorgehoben. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Universitätskliniken werden standardisierte Daten von 4.500 Patient

gesammelt und deren Gesundheitszustand über längere Zeiträume hinweg beobachtet. Die Etablierung eines einheitlichen Standards, wie FHIR, ist dabei ein zentrales Ziel des Projekts.

Keynote: „Sollte Wissenschaft eine Rolle in der Politik spielen?“

Den Abschluss des Tages bildete eine tiefgreifende Keynote von Prof. Dr. Rainer Röhrig, der sich der Frage widmete, wie und in welchem Umfang die Wissenschaft Einfluss auf politische Entscheidungsprozesse nehmen sollte. Röhrig argumentierte, dass Wissenschaft neutrale Entscheidungsgrundlagen für politische Prozesse liefern müsse, gleichzeitig jedoch Unabhängigkeit wahren solle. Er machte aber auch deutlich, dass die Wissenschaft aktiv eingreifen sollte, wenn gesetzliche Hürden die Forschung behindern und potenziell den Menschen schaden. Eine ausgewogene Interessenvertretung in Form von Stellungnahmen und Gesprächen mit politischen Entscheidungsträgern sei hier notwendig.

Der zweite Symposiumstag bot somit einen faszinierenden Einblick in aktuelle Entwicklungen der Medizininformatik und deren Anwendungspotenziale. Er zeigte, wie wichtig die Vernetzung und Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen ist, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern und die personalisierte Medizin weiter voranzubringen.

Erweiterung des Forschungsdatenportals für Gesundheit: FDPG+

Dr. Julian Gründner präsentiert die FDPG+-Erweiterung, die das Forschungsdatenportal für Gesundheit um neue Funktionalitäten erweitert. Ein zentrales Thema war die Herausforderung der Kohortendefinition, Machbarkeitsabfragen und die sichere Datenbereitstellung. Die Erweiterungen verbessern die Interoperabilität zwischen Gesundheitsdatensätzen und bieten eine benutzerfreundliche Freitextsuche sowie erweiterte Filterfunktionen für die Machbarkeitsabfrage. Teilnehmer des Symposiums können die neue ALPHA-Version des Portals testen, das in Zukunft eine leistungsstarke Plattform für die Gesundheitsforschung sein wird.

EVA4MII: Datengestützte Evaluationsplattform

Dr. Viktoria Rücker stellte EVA4MII vor, eine Plattform zur Evaluation und Analyse medizinischer Daten, die besonders auf die Routinedaten der Medizininformatik-Initiativen (MII) und die Datenintegrationszentren (DIZ) ausgelegt ist. EVA4MII unterstützt Forschende bei der Entwicklung und Durchführung wissenschaftlicher Projekte, indem es Tools für verschiedene Evaluationsstufen und Forschungsbereiche bereitstellt. Zusätzlich bietet die Plattform Tutorials, Workshops und Umfragen, um die Nutzenden in die Funktionsweise und den Einsatz von EVA4MII einzuführen und bei der Projektumsetzung zu unterstützen.

SU-TermServ: Terminological Services für MII und NUM

Prof. Dr. Josef Ingenerf stellte die Service Unit SU-TermServ vor, welche die terminologischen Dienste für die Medizininformatik-Initiativen (MII) und das Nationale Forschungsnetzwerk Universitätsmedizin (NUM) bereitstellt. Die Hauptaufgabe dieser Einheit ist es, die semantische Interoperabilität zu gewährleisten, insbesondere durch die Bereitstellung der terminologischen Ressourcen für den Kerndatensatz (KDS). Aktuell sind die stabilen KDS-Module verfügbar, und weitere notwendige Ressourcen wurden für eine umfassende KDS-Implementierung paketiert, um die Forschung effizient zu unterstützen.

Keynote: „Die Entwicklung von LLMs in der Medizin“

Dr. Isabella Wiest gab einen faszinierenden Einblick in die Rolle von Large Language Models (LLMs) in der Medizin. LLMs können nicht nur als Datenmanagement-Tools, sondern als intelligente Systeme im Gesundheitswesen eingesetzt werden. Sie zeigte die Herausforderungen auf, wie etwa unvorhersehbare Ergebnisse und das Risiko von Falschaussagen. Durch gezielte Anleitung können diese Modelle jedoch lernen, strukturierte und fehlerunanfällige Antworten zu geben. Die Möglichkeiten von LLMs zur Inhaltszusammenfassung und für interaktive Konversationen bieten vielversprechende Ansätze für die medizinische Praxis und Forschung welche in der Zukunft elementar sein werden.

Abschluss

Zum Ende danken die beiden Konsortialleiter Prof. Dr. Hans-Ulrich Prokosch und Martin Boeker den Speakern, den zahlreichen Teilnehmerinnen und Teilnehmern, die durch ihre Präsenz, Fragen und den fachlichen Austausch dazu beigetragen haben, dass dieses Symposium ein inspirierender Ort für wissenschaftliche Zusammenarbeit und neue Impulse war. 

Besonderer Dank gebührt dem Organisationsteam sowie den zahlreichen helfenden Händen aus München und Erlangen, welche diese Veranstaltung erst ermöglicht haben.